Urlaubsbücher 2022

Urlaubsbücher 2022

Das Schöne an einer beruflichen Auszeit in Griechenland ist ja nicht nur das gute Essen, die warmen Temperaturen und die langen Spaziergänge am Strand, sondern auch die Tatsache, dass man endlich mal wieder dazu kommt, mehrere Stunden am Stück zu lesen.

Ich hatte mir für meine zwei Wochen auf Kreta fünf Bücher mitgenommen und war mir anfangs nicht ganz sicher, ob das reichen würde. Doch tatsächlich bin ich mit meinem Lesestoff gut über die 14 Tage gekommen. Ich hatte ausschließlich Romane dabei, da ich mich im Urlaub ungerne mit Sachthemen beschäftigen mag und gern mal das Gehirn komplett baumeln lasse. 

Zwei von diesen Büchern möchte ich ganz besonders empfehlen: „Man vergisst nicht wie man schwimmt“ von Christian Huber und „Erwachsene Menschen“ von Marie Aubert. Aber hier ist alles der Reihe nach und in der Reihenfolge, in der ich die Bücher gelesen habe:

Der Mauersegler – Jasmin Schreiber

Jasmin Schreiber „Der Mauersegler“

Seit der Arzt Prometheus die Mitverantwortung für den Tod seines krebskranken Freundes Jakob trägt, plagen ihn tiefe Schuldgefühle. Seine Flucht vor den Konsequenzen führt ihn eines Nachts bis nach Dänemark, an die Küste und ins Meer – wo er von zwei Frauen gefunden wird. Helle und Aslaug sind zwar ein wenig merkwürdig drauf aber sehr gastfreundlich und nehmen Prometheus für eine längere Zeit bei sich auf ihrem abgeschiedenen Hof auf. Dort – zwischen all den Pferden, endloser Natur und merkwürdigen Zauberbräuchen – stellt sich Prometheus seinem Leben, der Vergangenheit und seiner Schuld.

Die Charaktere wirken zwar allesamt oft widerborstig und skurril, dennoch ist „Der Mauersegler“ eine sehr schöne Geschichte über Freundschaft, Abschied und Vergangenheitsbewältigung.

Darüber hinaus betreibt die Autorin sehr schöne Insta-Acounts und veröffentlicht in ihrer Funktion als Biologin einen spannenden Newsletter zu den Themen Naturschutz und Artenvielfalt. Außerdem hat sie gemeinsam mit ihrem Mann einen Naturwissenschaftspodcast.

„Man vergisst nicht, wie man schwimmt“ von Christian Huber:

Es ist der 31. August 1999. Eigentlich wollte Krüger sein Zimmer an diesem letzten Sommertag gar nicht mehr verlassen. Doch dann ist da plötzlich Viktor, sein bester Freund, der ihn zum gemeinsamen Zeitungsaustragen überredet. Und dann sind da plötzlich auch noch der kleine Schumi, die rothaarige Jacky aus dem Zirkus, die Party bei Anya und Anna, eine Hanfplantage, ein rauchender Colt und die erste große Liebe. Aber lest das alles am besten selbst. Es lohnt sich so, so sehr. 

Mit „Man vergisst nicht, wie man schwimmt“ hat Christian Huber (den einige eventuell vom Podcast „Gefühlte Fakten“ kennen)ein Buch geschrieben, das ich so gerne noch einmal zum ersten mal lesen können würde. Diese wunderschöne Coming-Of-Age-Story wird nämlich nicht nur durch einen fabelhaften Spannungsbogen vorangetrieben, sondern auch durch viele kleine und große Geheimnisse, die wie bunte Fäden am Schluss zu einem kunstvollen Erzählteppich zusammengewoben werden. Kaum zu glauben, dass in dieser Geschichte die Ereignisse aus nur 24 Stunden beschrieben werden. Oder um es mit den Worten der rothaarigen Messerwerferin Jacky zu sagen: „Ein Tag wie ein Leben.“

Mein Urlaubs-Lese-Highlight, für das ich eine ganz, ganz große Leseempfehlung ausspreche. Wer „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf,  „Blackbird“ von Matthias Brandt oder die Bücher von Ewald Arenz mochte, wird diese Geschichte lieben!

"Man vergisst nicht, wie man schwimmt" von Christian Huber

«Tick Tack“ von Julia von Lucadou:

„Tick Tack“ von Julia von Lucadou:

Zur Zeit der Anti-Coronamaßnahmen-Proteste lässt sich die 15jährige, psychisch instabile Mette auf ihrer Suche nach Social Media-Anerkennung von Jo – einer gescheiterten Incel-Existenz – ins verschwörungsdurchtränkte QAnon-Querdenken-Aluhut-Impfgegner-Milieu hineinmanipulieren. Das klang zunächst vielversprechend und spannend, blieb mir aber mit dem bemüht zynischen Sprachstil, der klischeebeladenen Handlung und dem plötzlichen, fast schon rührselig-vorhersehbaren Plottwist am Ende zu sehr an den Oberflächen. Außerdem mag ich einfach keine Geschichten mehr lesen, in denen junge Mädchen als naiv und döppelig dargestellt werden. Definitiv das schwächste Buch auf meinem Kreta-Urlaubsstapel.

„Unter Wasser Nacht“ von Kristina Hauff: 

Thies und Sophie. Inga und Bodo. Zwei eng miteinander befreundete Paare, deren gemeinsame Hof-Idylle im Wendland überschattet wird seit Aaron – der Sohn von Sophie und Thies – am Elbufer unter ungeklärten Umständen ertrank. Ein Jahr nach dem vermeintlichen Unfall taucht die rätselhafte Mara auf dem Hof auf. Und die liefert schon bald ganz neue Perspektiven auf Aarons Tod. 

„Unter Wasser Nacht“ von Kristina Hauff ist ein düster-atmosphärischer Roman, dessen Geheimnisse sich Schicht um Schicht mit jedem Kapitel in lebendigen Perspektivwechseln zwischen den einzelnen Figuren entblättern. Es geht um Freundschaft, Schuld und um den Wunsch, nach einem Schicksalsschlag komplett neu anfangen zu wollen. Richtig gut geschrieben und lesenswert.

 

„Unter Wasser Nacht“ von Kristina Hauff

„Erwachsene Menschen“ von Marie Aubert

„Erwachsene Menschen“ von  Marie Aubert:

„Das ist nicht gerecht. Dass es für andere so leicht sein soll und für mich so schwer, ich verstehe nicht, woran es liegt, ob es eine Formel gibt, einen Code, den die anderen kennen, den sie schon im Kindesalter kannten und der mir entgangen ist.“

Die Geschichte zweier Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Ida ist Architektin, kinderlos und allein lebend. Die jüngere Marthe dagegen führt eine glückliche Beziehung mit Kristoffer und ist seit kurzem schwanger. Während des jährlichen Familientreffens anlässlich des Geburtages ihrer Mutter im gemeinsamen Sommerhaus spitzen sich nie ausgesprochene Konflikte zwischen den beiden Schwestern zu und entladen sich in einem vielschichtigen und ausweglosen Familienstreit.

„Erwachsene Menschen“ von der norwegischen Autorin Marie Aubert ist eine bitterböse, ehrliche und intensive Erzählung, die Einblick in das dysfunktionale Beziehungsgeflecht einer vermeintlich heilen Familie liefert. Es geht um Geschwisterrivaltät und um die Wertigkeit unterschiedlicher Lebensentwürfe. Aber auch um weiblich gelesene Rollenklischees. Ein Buch, das in mir unbequem nachhallt und nur zu gerne diskutiert werden möchte. Mein zweites Lese-Highlight in diesem Urlaub.


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